Seit Wochen denke ich darüber nach einen Beitrag über „Beziehung“ zu schreiben. Nichts ist so gewollt, begehrt, umstritten, kompliziert wie die Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen… Letztes Wochenende auf einem Geburtstag mit reichlich Alkohol ;D, hatte ich Ende des Abends ein sehr emotionales Gespräch mit einer jungen Frau. „Seit 18 Jahren zusammen, dass es sowas noch gibt?!“ verwundert und gleichzeitig berührt von der Tatsche, dass mein Mann und ich schon so lange zusammen sind, äußerte sie den Wunsch, so etwas auch haben zu wollen. Dabei ist sie selbst in einer Beziehung. Dieses Gespräch hat mich nachdenklich gemacht und emotional berührt. Ich hab schon viele solcher Gespräche geführt, dass die Menschen den Wunsch haben Ihren „Seelenverwandten“ zu finden, jemanden mit dem sie alt werden können. Das dies aber in der heutigen Zeit nahe zu unmöglich ist.
Auf der einen Seite wünschen wir uns Liebe, Akzeptanz, Ehrlichkeit, Treue von einem Menschen…sind wir auf der anderen Seite auch bereit genau das einem anderen Menschen zu geben? Und das noch ein Leben lang? Das klingt irgendwie anstrengend! Zwischen der romantischen Vorstellung, öfters mal propagiert in den Medien, und der Realität des Alltags einer Langzeitbeziehung liegen nicht selten…Welten!

Bin ich jetzt ein „Experte“, weil ich seit 18 Jahren in einer Beziehung bin oder hab ich vielleicht keine Ahnung wovon ich rede, weil ich seit 18 Jahren in nur einer Beziehung bin. Das soll jeder selbst beurteilen. Genauso unterschiedlich wie jeder einzelne Mensch tickt , weil jeder irgendwie doch in seiner eigenen Welt lebt und seine subjektive Sicht auf die Dinge hat, genauso unterschiedlich ist die Beziehung zwischen zwei Menschen. Was bei dem einen Paar funktioniert, muss nicht automatisch bei einem anderen Paar funktionieren. Ich werde in diesem Beitrag deshalb sicherlich keine Ratschläge geben oder sagen wie es „gemacht werden muss“, damit es funktioniert. Ich werde euch lediglich erzählen, was ich dazu denke, was ich darüber gelesen habe und was bei uns funktioniert.
Was ist das Fundament einer Beziehung? Wieso wollen zwei Menschen überhaupt so eine Bindung eingehen? LIEBE! So einfach. So einfach es klingt, so umfangreich und vielschichtig ist es in der Realität. Was ist den Liebe? Wie fühlen wir uns geliebt? Wie zeigen wir anderen unsere Liebe? So viele Menschen, wie es auf der Welt gibt, so viele unterschiedliche Antworten werden wir auf diese Fragen bekommen. Für den einen ist Liebe, das schöne Gefühl, die Schmetterlinge, die Aufregung. Für den anderen ist es sich kümmern, füreinander Sorgen. Für den Dritten bedeutet Liebe 5 mal die Woche Sex haben, für den Vierten Spaziergänge und lange Unterhaltungen, sich emotional verbunden fühlen. Der eine zeigt seine Liebe durch Geschenke, der andere wünscht sich Anerkennung, um sich geliebt zu fühlen. Einer will 24 Stunden mit seinem Partner zusammen sein, dem anderen reicht es vielleicht 1x die Woche, weil er eher ein Freiheitstyp ist. Liebt dadurch der eine mehr und der andere weniger? Hier sehen wir, dass die Vorstellung, die wir von Liebe haben und die Vorstellung die mein Gegenüber von Liebe hat, sehr unterschiedlich sein kann und das manchmal genau diese unterschiedlichen Vorstellungen entscheidend dafür sind, ob die Bindung zwischen zwei Menschen über die Verliebtheit hinausgeht oder nicht.
Der Poet und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh sagte einmal, dass zu lieben ohne zu wissen, wie man liebe, den Menschen, den wir lieben, verletze.
„Das Problem liegt darin, dass wir die Liebe oft als etwas Passives ansehen. Verlieben ist für viele der Nebeneffekt der Liebe auf den ersten Blick, die uns trifft und beinahe paralysiert, wo uns im Grunde genommen nichts anderes übrig bleibt, als uns treiben zu lassen und zu hoffen, dass unsere Liebe von diesem geliebten Menschen erwidert und genährt wird und letztendlich zu einer Beziehung führt. Das alles soll geschehen, ohne dass wir Energie, Kreativität und Gegenseitigkeit investieren müssen.“ (Zitat Gedankenwelt.de)
Der Psychoanalytiker Erich Fromm schreibt in seinem Buch Die Kunst des Liebens: „Liebe ist eine Aktivität und kein passiver Affekt. Sie ist etwas das man in sich entwickelt und nicht etwas dem man verfällt.“ Wenn Liebe eine Aktivität ist und kein reines Gefühl, was bedeutet das dann für meine Beziehung? Es bedeutet, das ich gestalte. Das ich Verantwortung übernehmen. Das ich aktiv werde.
Weiter schreibt er: „Die Liebe enthält in allen ihren Formen folgende Grundelemente: Geben, Fürsorge, Verantwortungsgefühl, Achtung vor dem anderen und Erkenntnis. Liebe ist die tätige Sorge für das Leben und das Wachstum dessen, was wir lieben.“ All diese Grundelemente sind auf das Wohl des anderen bedacht. Geht es bei der Liebe nicht um mich? Darum das ich glücklich bin?
„Es geht nicht darum, den anderen zu beherrschen und für sich besitzen zu wollen, sondern jemanden so zu sehen, wie er ist, und seine einzigartige Individualität wahrzunehmen. Man muss ein echtes Interesse daran haben, dass der andere wachsen und sich entfalten kann. Ich will, dass der andere um seiner selbst willen und auf seine eigene Weise wächst und sich entfaltet und nicht mir zuliebe. Wenn ich den anderen wirklich liebe, fühle ich mich eins mit ihm, aber so, wie er wirklich ist, und nicht, wie ich ihn als Objekt zu meinem Gebrauch benötige.“ so Fromm.
Laut Fromm ist jemanden zu lieben ein absolut selbstloser Akt. Ein aktiv werden, unterstützen, fördern, ohne den eigenen Nutzen im Kopf zu haben. Es geht um Akzeptanz und Annahme eines Menschen, so wie er ist. Es geht aber auch um diese besondere Bildung, dieses Gefühl von eins sein. Wenn ich verliebt bin, versuche ich alles, um den anderen glücklich zu machen. Ist es nicht so? Vielleicht kann der ein oder andere sich noch daran erinnern? An die Zeit, wo man alles getan hat, um den anderen glücklich zu machen. Wo kein Weg zu weit war. Kein Geld zu schade. Keine Zeit zu kostbar, als sie nicht mit dem geliebten Menschen zu verbringen. Kann es sein, dass wir nachlässig werden oder „faul“, sobald die ersten Frühlingsgefühle weg sind? Wir fühlen nicht mehr so intensiv, die Hormonausschüttung beim Anblick des anderen hat sich normalisiert und wir hören auf uns Mühe zu geben…wir hören auf uns zu überraschen. Plötzlich sind die Aldi Blumen ausreichend. Das Gespräch wird langweilig oder wir empfinden es vielleicht sogar als anstrengend, weil es vielleicht das „gleiche“ ist das der Partner doch schon gestern erzählt hat. Zumindest denken wir das, weil wir auch schon gestern nicht richtig zugehört haben. Und so führt passives Verhalten zu mehr passiven Verhalten und die schönen Gefühle nehmen immer mehr ab, weil wir nicht mehr richtig zuhören, weil wir aufhören den anderen als was besonderes zu sehen. Wir werden selbstverständlich für einander.
Genau diese Selbstverständlichkeit, die einerseits auch total schön sein kann, weil sie vertrauen bedeutet und sich verlassen können und auch nicht so emotional fordernd ist wie in der Verliebtheit, kann aber zum Stolperstein einer Beziehung führen. Wenn wir aufhören uns in die Augen zu sehen. Wenn wir aufhören uns richtig zuzuhören. Wenn wir aufhören „qualitative“ Zeit miteinander zu verbringen…aufhören uns zu küssen, zu umarmen, zu überraschen, uns Mühe zu geben, um dem anderen zu gefallen. Genau dann beginnt die Abwärtsspirale und das was uns eins verbunden hat, was uns das Gefühl von eins sein gegeben hat, geht immer mehr verloren.
Ich glaube das Liebe manchmal Arbeit bedeutet und das man sich auch mal überwinden muss, was nettes zu sagen wenn einem gerade nicht danach ist. Das man genau dann zusammen essen gehen sollte und mal wieder richtig reden, wenn man das Gefühl hat das man nur noch streitet oder sich nichts mehr zu sagen hat. Das man mit Blumen überrascht, einen romantischen Trip oder einem schönen Essen, wenn man das Gefühl hat, dass das Feuer langsam erlischt. Jemanden zu lieben bedeutet sich jeden Tag für diesen Mensch zu entscheiden. Alles zu geben was uns an diesem Tag möglich ist. Manchmal ist das 150%, manchmal haben wir nur die Kraft von 25%, aber alles ist besser als nichts!
Wenn wir uns keine Mühe mehr geben, haben wir schon verloren.
Wir haben am Anfang unsere Ehe mal ein Thema über Beziehungen gehört und da sagte der Pastor: In einer Ehe muss jeder 100% geben, nicht einer gibt 50% und der andere gibt 50%. Nicht so wie du mir, so ich dir. Wenn du deinen Teil nicht tust, sprich meine Erwartungen nicht erfüllst, dann erfülle ich deine auch nicht. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Ok, das klingt jetzt ziemlich anstrengend und nicht wirklich romantisch und bei der Liebe geht es natürlich auch um Gefühle, sonst könnten wir rein theoretisch mit jedem Menschen zusammen sein, solange sich beide nur an gewisse Absprachen halten. Wahrschlich würde das sogar funktionieren, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Ich denke aber, dass Gefühle immer einhergehen mit Taten. Das steht wiederum in Zusammenhang mit unseren Vorstellungen, Erwartungen, Zielen, zusammengefasst unserem Kopf.
Liebe ist Herzenssache, Kopfsache und Verhaltenssache.

Liebe bedeutet für mich auch…viel zusammen zu lachen, Spaß haben, schöne Dinge zusammen erleben, gemeinsam die Zeit genießen. Jedes schöne gemeinsame Erlebnis macht uns stärker, bringt uns einander näher.
Was ist für dich Liebe? Für deinen Partner? Habt ihr mal darüber gesprochen? Dementsprechend welche Einstellung man zu Liebe hat wird man sich Verhalten.
Als ich Rudi gefragt habe, was er denkt wieso wir schon so lange zusammen sind, sagte er nur „Glück gehabt!“ und lacht. Mein 13 jähriger Sohn sagte auf dieselbe Frage „Weil ihr euch liebt. Ihr sagt euch das immer und ihr sagt euch, was euch stört.“ Interessante Antwort für einen Teenager. Aber schön, dass er das so wahrnimmt.
Und natürlich gehören zu einer glücklichen Beziehung immer zwei Leute, die es wirklich wollen. Lustig! 😀 Mir wird gerade bewusst, dass in dem Wort glücklich, das Wort „Glück“ steckt. Ja, Rudi hat anscheinend Recht: Glück gehört auch dazu.